Florina Leinß
- put put put -
Die Ausstellung „to put put put“ zeigt aktuelle Arbeiten der Malerin Florina Leinß. Die abstrakten im Raum situativ platzierten Malereien und Objekte umkreisen auf assoziativen Bahnen die menschliche Dingwelt und passieren dabei Fragen zu Art und Eigenschaften von Gegenständen im menschlichen Gebrauch. Der mit einer architektonischen Intervention versehene Ausstellungsraum dient als Manege, als Ort der Zusammenkunft verschiedener Formen und Dinge. Ihr gemeinsamer Nenner ist eine wage Idee von der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft menschlicher Artefakte.
Einführungsrede gehalten von Dr. Tobias Wall zur Eröffnung der Ausstellung
Florina Leinß
To put, put, put
Kunstverein Nürtingen
29.9.2024
Ich weiß tatsächlich nicht mehr, wann mir das Werk von Florina Leinß zum ersten Mal begegnet ist. Auf jeden Fall hat es mich von Anfang an fasziniert und nicht nur mich. Ich erinnere mich z.B. gut an unsere Sitzung des Künstlerbundes zur Vergabe des Heckelpreises 2017, der dann schließlich an Florina ging.
Was alle auch damals beeindruckt hat, wie sie Malerei und Raum miteinander in Verbindung setzt. Dabei ist das Wort „setzen“ wörtlich zu nehmen: es sind genau diese starken entschlossenen Setzungen, dieser Mut den Raum insgesamt mit Farben und Formen einzunehmen, was die Stärke ihrer künstlerischen Position ausmacht.
Die Qualität des Werks ist nicht nur im Künstlerbund aufgefallen: Florina Leinß ist mit ihrem Werk in ganz Europa in Ausstellungen vertreten 2021 hat sie zum Beispiel den Strabag Kunstpreis in Wien bekommen und auch schon eine Einzelausstellung in der städtischen Galerie Karlsruhe hat neben dem Heckel-Preis diverse weitere Preise und Stipendien erhalten.
Schauen wir in die Ausstellung. Ich habe von starken Setzungen gesprochen: Das kann man auch hier sehen, aber was ich bei dem Werk von Florina Leinß so bemerkenswert finde, dass sie mit ihren Arbeiten, so stark sie auch in den Raum eingreifen, diesen nicht nur „voll machen“ oder besetzen sondern ihn öffnen und erweitern, geradezu befreien. Natürlich sprechen wir hier nicht vom Raum an sich sondern an unserem Raumerleben.
Ich hab mir überlegt woran das liegen könnte. Vielleicht liegt es daran, dass ihre Arbeiten trotz ihrer formalen Kraft und oft großen Dimension immer offen und beweglich bleiben für die Wahrnehmung des Betrachters (ganz im Sinne von Umberto Eco)
Das kann man z.B. bei Ihrer Formensprache ansehen. Die Formen, die sie verwendet, sind allesamt ungegenständlich, scheinen aber aus der Realität abgeleitet zu sein. Ich würde sagen: Formen am Rande der Bedeutsamkeit.
Hier sieht etwas aus wie ein Plakatständer an dem eine Fahne hängt; hinten an der Wand sieht man einen Rost, ein Gitter oder verschobendes Fenster, von dem ein eigenartiges Schlangenobjekt steht das aber auch ein über ambitioniertes Y sein könnte. Auch auf dem Bildern finden sich große Formen, die wir Teile von Designideen oder Architektur und wirken, oder auch die farbigen Spieße, die wir Hightech Billard Cue oder Pop Waffen wirken könnten.
Das Gegenständliche begleitet mich als Betrachter aber nur als Ahnungen. Die Formen behalten ihr Eigenleben, fügen sich nach ihren eigenen rätselhaftem Gesetzen zwischen organische Bewegung und konstruktiver Klarheit.
Diesen außergewöhnlichen Zustand zwischen klarer Setzung und Offenheit finde ich auch der Art und Weise, wie die Künstlerin ihre Formen im Raum platziert. Insbesondere erlebe ich das bei dem großen blauen Tor. Stärker kann man ein Blau kaum in den Raum setzen: stark und leuchtend mitten hinein, es wird selbst zu einem Teil der Architektur, zum Protagonisten. Und doch stellt dieses Element den Raum nicht komplett voll. Woran liegt das? Kommen Sie darauf? Es liegt daran, dass sie das starke Blaue Element auf abgerundeten Doppelbögen fast leichtfüßig über den Boden schweben.
So verbindet sie eine starke Setzung mit einem schwebenden Auftritt.
Korrespondenz mit dem Raum
Was zudem auffällt, dass die Arbeiten an verschiedener Stelle mit den Gegebenheiten des Raums in Korrespondenz treten:
Ganz besonders bei dem Gitterobjekt mit Y an der Wand (Titel)
Korrespondenz des Gitters mit dem Fenster und des grauen Rechtecks im Hintergrund des Werks mit dem Rechteck auf dem Boden.
Farbe
Lassen Sie mich noch etwas über die Farbe sagen:
Vorher hatte ich ja schon von der Offenheit des Werks hinsichtlich Gegenständlichkeit/Ungegenständlichkeit gesprochen.
Eine ähnliche Offenheit finde ich bei der Farbgebung im Werk von Florina Leinß. Es ein ganz besonderer Farbklang in ihrem Werk: ein gedeckter, milder Grundklang, aus dem immer wieder stark leuchtende Passagen häufig blau oder orange vortreten. Wie schon bei der Formgebung bewegt auch die Farbigkeit zwischen eher natürlichen organischen und eher technischen Bereichen, z.B. dem Silber.
Auch beim Farbauftrag gibt es eine große Bandbreite: manche Farbpassagen liegen wie aus Schablonen ausgeschnitten und aufgeklebt dicht auf dem Untergrund, an anderen Stellen sind sie ganz frei als gestische Spuren oder lasierend aufgetragen und lassen auf den Untergrund blicken und noch tiefer in den Bildraum blicken.
Schluss Malerei und Raum
Ich halte jetzt hier ein mit meinen Überlegungen und kann nur noch mal sagen dass es wirklich imponierend ist, wie es Florina Leinß als Malerin mit dem Raum aufnimmt, wie sie ihn mit ihrem Werk, mit ihren Form und Farbsetzungen auf ganz überraschender Weise öffnet und offen hält und so den Raum selbst beziehungsweise unsere Wahrnehmung davon in Malerei verwandelt
Gitterobjekt
Was ich mit dieser eigentümlichen Formulierung der Malereiwerdung von Raum meinte erklärt sich vielleicht in einem Werk dieser Ausstellung, das mir ganz besonders gefällt: Das im Raum hängende Gitterobjekt, das aussieht, als wären hier Formen aus gestanzt oder herausgesägt.
Wenn ich davor stehe, und meinen Blick starr auf die Rahmungen lenke, fängt sich in den Aussparungen die Wirklichkeit des Raums dahinter und wird zum Teil des Objekts. Der Raum klappt in die Fläche und wird Teil zur Komposition, die von den Stegen gehalten wird. Der Rahmen dreht sich leicht, so dass in jedem Moment ein neues Bild entsteht. Eine schönere, leichtere Verbindung von Malerei Objekt und Raum kann ich mir nicht vorstellen.
Florina, vielen Dank für diese wunderbare Ausstellung.
Aber nun möchte ich Dir noch ein paar Fragen stellen:
Fragestunde:
Titel: To put, put, put.
Ich sehe richtig, dass der Titel nichts mit Hühnern zu tun hat.
Was hat es mit ihm auf sich?
Künstlerischer Werdegang:
du hast in Stuttgart studiert. Wie hat sich dein Werk entwickelt, warst du immer schon und gegenständlich?
Als welche Art von Künstlerin würdest Du Dich bezeichnen?
Making of
Wie gehst du bei deiner künstlerischen Arbeit vor? Gibt es Skizzen, Entwürfe und Konzepte?
Titel
Deine Werke sind und gegenständlich aber haben oft sehr gegenständliche Titel. Wie steht dein Werk zur Gegenständlichkeit wie entstehen die Titel?
Raumtraum
Ich habe schon etliche Arbeiten von dir gesehen, bei denen du ganz intensiv in den Raum Ein greifst.
Gibt es irgendwelche Räume, die dich da besonders faszinieren oder interessieren würden?
Wenn du dir auf der Welt einen Raum aussuchen dürftest, mit dem du es künstlerisch aufnehmen könntest, welche würde es sein?
Dahinter ein anthrazitfarbenes Rechteck, dass sich davor auf dem Boden zu spiegeln scheint.