Thomas Hellinger
11.04.02 - 28.04.02
Thomas Hellinger war Assistent bei Hans Baschang an der Kunstakademie in München. Während seines Studiums in Berlin und München erhielt er zwei Auslandsstipendien, eines in New York und eines in Kanada.
Eine Wurzel seiner Arbeit ist eine Auseinandersetzung mit Realismus, auch wenn man dies auf den ersten Blick so nicht vermuten würde.
Die Vorgehensweise bei der Bildentwicklung hat auch nichts mit einem Abstraktionsprozess zu tun, bei dem durch Reduktion der Gegenstand zum Verschwinden gebracht wird, auch wenn dies widerum zunächst vielleicht einige von ihnen vermuten würden.
Der Prozess beginnt zunächst vielmehr sehr formal, in dem die Leinwand allein als ihre eigene Wirklichkeit genommen wird und in einem ersten Schritt tätige Ausmessungen und Farb und Formsetzungen vollzogen werden. Zu dieser Auseinandersetzung mit dem Bild ansich kommen quasi als Korrektur Assoziationen aus der Anschauung. Die sich in der formalen Konfrontation mit der Bildwirklichkeit entwickelnden Verweise auf die Wirklichkeit der Anschauung werden aufgegriffen und mit Schnappschüssen, seien sie nun fotografisch vorhanden oder im Gedächtnis als solche verfügbar, korrigiert. D.h. der Realismus kommt sozusagen durch die Hintertür wieder ins Spiel um dann im Bild weniger die Anschauung zu repräsentieren, als vielmehr die Suchbewegungen und Ausblendungen im Prozess der Anschauung sichtbar werden zu lassen.
So wie seine Aufmerksamkeit von plötzlich hervortretenden Aspekten im Bildprozess ergriffen wird, so erfährt Thomas Hellinger auch das fast schon ausgeliefert sein den Attraktoren insbesondere einer urbanen Situation. Diese Analogie der Suchbewegung und des Ergriffenwerdens, dieser Antagonismus zwischen flüchtigem darüber Hinwegschauen und plötzlichem Fokussieren, diese Bewegung in der Aufmerksamkeit spiegelt sich in seinen Arbeiten wieder. Und zwar mit der Betonung auf das Sehen ansich, also nicht eine abstrahierte Großstadt erkundung oder der Versuch auf analytischem Wege Raum absolut zu fassen, sondern in der Wechselbeziehung von reinem Bildprozess und Versatzstücken aus der zugrundeliegenden Anschauung von Stadt, Raum und Architektur in ihrer urbanen Ausprägung wird die Sehbewegung selbst sichtbar.
In den Arbeiten Thomas Hellingers werden so Bildprozesse als Abläufe von Entscheidungen erkennbar, in denen Vorlagen aus der Anschauung als Entscheidungshilfen oder Korrektoren fungieren, also gerade keine Abstaktion sondern vielmehr eine gewisse Konkretisierung stattfindet, um dann im nächsten Moment wieder im reinen Malakt sich dem Gesetz des Bildes unterzuordnen. Dabei scheint ein dekonstruktivistischer Aspekt in der Analogiebildung von Bildprozess und Anschauungsprozess, also zum eigenen Blick, auf. Hier wie dort gibt es einen Moment des Ausgeliefertseins. Die Wirklichkeit springt uns manchmal geradezu an und es ergibt sich daraus der Zwang zur Verweigerung, der Ausblendung und der Selektion. Dies ist unabweisbar die Verfasstheit unserer Wahrnehmung.
In Thomas Hellingers Arbeit wird somit die vielschichtige Wechselwirkung von Seh und Assoziationsprozess, von Erinnerung und Verweigerung, von Ergreifen und Ergriffenwerden, von Konstruktion und Dekonstruktion selbst sichtbar.